Vernissage Schönenwerd, 3. September 2015
Klaus Mettler, 40 Jahre Künstler Klaus Mettler musste 70 Jahre alt werden, bis er Zeit fand, sein künstlerisches Schaffen über vier Jahrzehnte zu ordnen und in einer Übersicht zu zeigen. Gründe dafür gibt es verschiedene, auf den einen oder andern werden wir zu sprechen kommen. Aber zuerst gratuliere ich dir, Klaus, ganz herzlich zum runden Geburtstag und bedanke mich dafür, dass du uns mit dieser Ausstellung daran teilhaben lässt. Du hast als Ort eine ehemalige Fabrikhalle gewählt. Neben der Grosszügigkeit, die die Präsentation deiner vielen, teils grossformatigen Bilder ermöglicht, neben dem schönen Licht, das durch das Sheddach einfällt, dünken mich auch die Verlebtheit des Raumes, all die Spuren der früheren Produktionsstätte, treffend als Umgebung für deine Werke. Denn auch diese sind Zeitzeugnisse, ob bewusst gesetzt oder beiläufig entstanden und durch deinen Eingriff zur Kunst geworden. Auch biografisch gesehen ist die Fabrik prägend für dich. Dein Vater war ein Leben lang Arbeiter in der Spinnerei Ibach und ernährte so acht Kinder. Deine Mutter musste sparsam haushalten, das hiess für dich als Jüngsten, dass du die Kleider deiner grossen Brüder nachtrugst, dass dich die Auswirkungen der abgetragenen Schuhe, die du in der Wachstumsphase übernehmen musstest, bis heute beeinträchtigen. Du konntest so sicher kein Leichtfuss werden, sondern du setztest deine Schritte bedächtig und überlegt. Die ersten zehn Jahre deines Erwerbslebens verbrachtest du als Reinzeichner und Fotograf in der Messerfabrik Elsener, heute victorinox, in Ibach. Ein REINZEICHNER warst du also, ein FOTOGRAF. Beide Fertigkeiten hast du später in deiner künstlerischen Tätigkeit eingesetzt. Aber da war auch ein Onkel mütterlicherseits, Klemenz Auf der Mauer, der den jungen Klaus mit seinen Malereien und Zeichnungen beeindruckte. Auch erkannten deine grossen Brüder dein Talent. Xaver trat neben seiner Tätigkeit als Lehrer selbst als Künstler in Erscheinung. Clemens, der Schriftsteller, hatte eine Ausbildung an der Kunstgewerbeschule Luzern als Zeichenlehrer absolviert. Das Unterrichten lag ihm allerdings nicht. Aber er vermittelte dir, nachdem du bereits neben deiner Arbeit in der Messerfabrik Abendkurse an der Kunstgewerbeschule Zürich belegt hattest, den Kontakt zur F + F, Farbe und Form, der Schule für experimentelle Gestaltung in Zürich. Mit deinem Ersparten besuchtest du hier während zweier Jahre den Unterricht. Deine Lehrer waren Hansjörg Mattmüller, Serge Stauffer, Doris Stauffer, Peter Jenny - lauter klingende Namen und damals führende Köpfe einer zeitgemässen künstlerischen Ausbildung. Du zogst nach Zürich, warst an ersten Ausstellungen beteiligt und verbrachtest drei anregende Jahre in einer Künstlerwohngemeinschaft, der Ruedi de Crignis und Dani Jablonsky angehörten. Nach der Auflösung dieser WG gerietest du in einen künstlerischen Stillstand. Die Intensität des künstlerischen Schaffens hing Zeit deines Lebens mit deiner persönlichen Situation zusammen. Dies verhinderte auch den kontinuierlichen Aufbau einer Künstler-Karriere. Ansätze dafür gab es zwar immer wieder: Ausstellungen im In- und Ausland, Werkankäufe durch die öffentliche Hand, so durch die Stadt Zürich oder den Kanton Schwyz, Einladungen zu jurierten Übersichtsausstellungen, der Werkbeitrag des Kantons Zürich. Als inspirierend erwies sich auch die Tätigkeit im Rahmenatelier der Galerie Palette in Zürich. Ein früher Förderer war der leider jung verstorbene Wollerauer Galerist Jost Schüpbach. Mit seiner Partnerin Madlen Bärtschi und den drei Kindern Diego, Milena und Muriel landete Klaus schliesslich in Schönenwerd und wirkte viele Jahre als Hausmann. Als die Kinder grösser waren, baute er sich den Dachstock des Hauses am Reservoirweg als Atelier aus. Seit 2009 sind die Bedingungen ideal für das weitere künstlerische Schaffen. Blenden wir aber zuerst zurück in die Anfänge: Sie haben eine Einladungskarte erhalten, auf der Sie Klaus ganz links dargestellt sehen. Er scheint in seiner Schürze nicht glücklich zu sein. Ob er vom grösseren Bruder gehalten oder eher geklemmt wird, bleibe dahingestellt. Das Bild, es heisst „Nachschub“, das in der Ausstellung vollendet zu sehen ist, zeigt nicht nur die Familienkonstellation, sondern mit den Gebäuden im Hintergrund, der Kirche, dem Zeughaus und der Fabrik auch, wofür hier Nachschub geliefert wird. Rabenschwarze Gesellschaftskritik wird von Klaus Mettler immer mit äusserster Sorgfalt und Präzision dargestellt. Mettlers Auflehnung gegen die herrschenden Verhältnisse ist nicht wildes Revoluzzertum, sondern seriöse Arbeit mit dem Zeichenstift, den er wie ein Skalpell führt. „Nach dem Rütlischwur“, so der Titel eines weiteren frühen Hauptwerks, bleiben nicht Helden übrig, sondern Aussenseiter am Rand der Gesellschaft: die Fecker Wyss, zwei Brüder, die als Kesselflicker umherzogen und in Scheunen nächtigten, flankieren den Künstler im Selbstbildnis mit langer Mähne und im Parka. Diese „Drei Eidgenossen“ fixieren uns Betrachter des Bildes intensiv. Eine weitere frühe Werkgruppe thematisiert die Schweiz als Waffenproduzentin und -lieferantin. Die idyllische Ansicht des Schwyzer Dorfplatzes entpuppt sich bei genauer Betrachtung als mit scharfer Munition gespickt. Selbst die Kirchturmspitze endet statt mit dem Kreuzeszeichen in einem Sprengkopf. In die gleiche Richtung weisen Objekte mit Gewehrpatronen: ein Kamm, Handgranaten in Menschenform, ein Schweizerkreuz. Sowohl die Zeichnungen wie die Objekte erschöpfen sich schliesslich in ihrer gnadenlosen Präzision, die sich nicht mehr steigern, nur noch wiederholen liesse. Solches Wiederholen von schon Gekonntem, Perfektioniertem, hat Klaus Mettler in seinem Künstlerleben immer vermieden. So gesehen hat er wohl zuerst sich selbst, aber auch die Bewunderer seiner Kunst, mit jeder neuen Werkphase überrascht oder gar brüskiert. Die Ausdrucksmittel immer wieder zu ändern, führt zu Verunsicherung und nährt den Verdacht, es mit einem Hansdampf zu tun zu haben, der alles kann und sich nicht festlegen will. Nun gibt es diejenigen Künstler, die am einmal Gefundenen festhalten, es umkreisen, es allenfalls variieren. Zu ihnen gehört Klaus sicher nicht. Dann gibt es diejenigen, die eine künstlerische Haltung pflegen, der sie mit verschiedenen Mitteln Ausdruck geben. Hier würde ich Klaus ansiedeln. Um hinter die künstlerische Haltung von Klaus Mettler zu kommen, müssen wir weitere Werkgruppen genauer ansehen. Bereits in den Siebzigerjahren entdeckt er die Pigmentmalerei, die er in den Achtzigern perfektioniert. Mit Wattebäuschen tupft und streicht er Farbpigmente auf grosse Leinwände. Teils akzentuiert er die Farbverläufe mit Konturlinien, die er in gleicher Weise aufträgt. Die Motive aus der Natur: Stämme, Gräser, Blumen, Felsen, stammen von eigenen Fotovorlagen. Ein mehrteiliges Werk zeigt Ausblicke durch die vier Seitenwände eines Schobers. Die Holzstruktur der Balken ist neben dem Licht, das durch die Zwischenräume dringt, bildbestimmend. Jede Himmelsrichtung erhält dem Tagesverlauf entsprechend ihre farbliche Ausprägung. In weiteren Malereien wogen abstrakte Rhythmen in Naturtönen über die Bildfläche. Der Künstler wendet sich ab von dem, was zu verändern wäre; er wendet sich dem zu, was er erhalten möchte. Jost Schüpbach hat es seinerzeit so ausgedrückt: „Heute plädiert er (Klaus Mettler) für die Natur, damit die Malerei nicht mehr von sich selber abgelenkt werde. Auch ein Plädoyer kann Protest sein.“ Und er fährt fort: „Die Absicht, das Zufällige zu malen, ruft Gesetzmässigkeiten hervor. (…) Erkannt im Gemalten, wirken sie im Betrachter weiter.“ Dieses „Zufällige“ erhielt im Schaffen von Klaus Mettler eine immer grössere Bedeutung. So akzentuierte er Lappen, die er zum Abstreifen der Farbe, zum Reinigen der Malutensilien benutzt hatte, mit feinen Linien. Er montierte sie in Kästchen und stellte sie als gültige Werke aus. Ähnlich verfuhr er mit gebrauchten Schmirgel- oder Schleifpapieren aus der Rahmenproduktion, die er über Jahrzehnte aufgehoben hatte. Für eine Ausstellung bei Esther Gwerder in Schwyz zerschnitt er sie, setzte sie neu zusammensetzte und rahmte sie als Collagen. Was ohne Absicht entstanden ist, was der Künstler in seinem Wert wahrnimmt und mit sorgsamen Eingriffen verändert, wird damit erhalten und veredelt. Klaus Mettler führt seit den Anfängen mit bildnerischen Mitteln eine Wertediskussion. In den Werken formuliert er seine Stellungnahmen. Diese Diskussion kommt nie an ein Ende. Deshalb bin ich auch zuversichtlich, dass Klaus sein künstlerisches Wirken weiter verfolgen und uns damit wieder von neuem überraschen und herausfordern wird. Sollte es einmal in der Biografie heissen: „Mit siebzig Jahren Beginn einer neuen Schaffensphase“, so wäre dies nur folgerichtig. Ich jedenfalls bin gespannt darauf, wie es weitergehen wird nach diesem Zwischenhalt mit der eindrücklichen Ausstellung, die wir heute eröffnen und die nur bis Sonntag zu sehen ist. Benutzen Sie die Gelegenheit, nehmen Sie den Dialog mit Klaus Mettler und seinem Schaffen über vierzig Jahre auf. von Urs Sibler |
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